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Nandi

Der Weise Shilada war kinderlos, er betete über viele Jahre zu Shiva, der ihm eines Tages erschien und fragte, welchen Wunsch er ihm erfüllen könne.

Shilada verneigte sich vor Shiva und erklärte, dass er sich nichts sehnlicher wünsche als ein Kind, allerdings nicht irgendein Kind, sondern ein Kind, das ihm, Shiva, hingegeben war.

Shiva lächelte: ‚Du wirst es bald bekommen‘ und entschwand.

Shilada kehrte als glücklicher Mann zurück nach Hause. Als er am nächsten Tag seiner Feldarbeite nachging, fand er einen Knaben in einer Furche. Als er ihn betrachtete, erklang eine Stimme aus dem Himmel: ‚Shilada, nimm das Kind mit nach Hause und erziehe es gut.‘

Shilada war überglücklich, nahm den Jungen mit nach Hause und nannte ihn Nandi. Von Kindesbeinen an verehrte Nandi Shiva. Shilada erzog Nandi mit Liebe und gab ihm Geborgenheit. Er lehrte ihn die Veden, Nandi lernte schnell und Shilada war sehr stolz auf seinen Sohn.

Nach einigen Jahres kamen zwei Weise zu Besuch, Mitra und Varuna. Shilada hieß sie herzlich willkommen und bat Nandi, dafür zu sorgen, dass es ihnen an nichts fehle.

Bevor die beiden sich verabschiedeten verneigten sich Shilada und Nandi vor ihnen und wünschten eine gute Weiterreise.

Mitra und Varuna segneten zuerst Shilada: ‚Lang sollst du leben, Shilada. Hab Dank für deine Gastfreundschaft.‘

Bei Nandi schauten sie ernst und sprachen: ‚Möge es dir gut gehen, Sohn. Sei gut zu deinen Eltern und zu deinen Lehrern.‘ Dann verließen sie das Haus.

Shilada hatte eine Veränderung im Ausdruck der Weisen bemerk und lief ihnen nach. Als er sie eingeholt hatte, fragte er: ‚Ihr hattet einen sorgenvollen Blick, als ihr meinen Sohn segnetet. Ist etwas nicht in Ordnung?‘

Mitra sprach leise: ‚Ich konnte deinem Sohn kein langes Leben wünschen.‘

Shilada schaute sie erschrocken an: ‚Was wird meinem Sohn geschehen?‘

Varuna fiel es schwer, zu sprechen: ‚Shilada, es tut mir leid, dein Sohn wird kein langes Leben haben.‘

Shilada ging mit gebrochenem Herzen zurück.

Nandi spürte, dass mit seinem Vater etwas geschehen war und sprach ihn darauf an. Shilada erzählte von der Unterhaltung.

Shilada dachte, dass Nandi weinen würde, doch er lachte laut und sprach: ‚Vater, was kümmert es dich was die Weisen von sich geben? Du erzähltest mir, dass du Shiva geschaut hast. Wer Shiva geschaut hat, kann sich doch von Weisen nicht durcheinander bringen lassen!‘

Shilada schaute verständnislos auf seinen Sohn, der weitersprach: ‚Es ist mein Schicksal zu sterben. Shiva kann es wandeln. Er kann alles tun. Glaubst du, er würde uns etwas zustoßen lassen, da wir ihn doch verehren? Ich glaube es nicht.‘

Shilada schaute seinen Sohn an. Nandi verneigte sich vor ihm und bat: ‚Segne mich Vater.‘ Shilada segnete seinen Sohn: ‚Sei siegreich, mein Sohn!‘

Nandi ging an den Fluss Bhuvana und begab sich in Askese. Seine Hingabe war so stark und seine Konzentration so hoch, dass ihm Shiva erschien. Er öffnete seine Augen und sah den dreiäugigen Gott liebevoll auf sich herabblicken. Nandi fühlte, dass es nichts zu sagen gab, er hatte nur einen Wunsch, für immer bei Shiva zu sein.

Shiva sprach: ‚Deine Askese war derart kraftvoll, dass sie mich zu dir hinzog. Ich gewähre dir eine Gunst.

‚Oh Herr, lasse mich stets bei Dir sein.‘

‚Nandi, ich habe eben meinen Bullen verloren, auf dem ich zu reiten pflegte. Du sollst die Gestalt eines Bullen annehmen und bei mir auf dem Berg Kailash leben. Du sollst mein Gefährte sein, mein Reittier, mein Freund für immer.‘

Nandi flossen Tränen über die Wangen. Der Herr gewährte ihm weit mehr als nur seinen Wunsch.

So wurde Nandi Shivas Reittier, Torhüter und Freund. Durch Hingabe hatte Nandi nicht nur sein Schicksal überwunden, er hatte es überschrieben.

 

 

Aus dem Englischen mit freundlicher Genehmigung von S. A. Krishnan.