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Markandeya

Der Weise Mrikandu und seine Frau Marudvati waren hingebungsvolle Verehrer Shivas. Nur das Leid der Kinderlosigkeit quälte sie. Sie beschlossen, sich in Askese zu vertiefen, um Shiva zu erreichen. Nach langer Zeit erschien er ihnen. Das Paar konnte es nicht glauben, sie fielen ihm zu Füßen. Shiva war erfreut über diese Hingabe und fragte, welche Gunst er ihnen gewähren könne.

‚Ein Kind, alles was wir möchten ist ein Kind. Ein Kind, das deinen Segen hat.‘

Shiva blieb still und dachte über etwas nach. Dann fragte er: ‚Was für ein Kind möchtet ihr?‘

Mrikandu und Marudvati verstanden die Frage nicht. Fragend schauten sie Shiva an.

‚Wollt ihr ein dummes Kind oder ein begabtes Kind?‘

Mrikandu und Marudvati waren nun nicht schlauer. Wer will schon ein dummes Kind. Sie gaben zu, Shiva nicht zu verstehen.

‚Möchtet ihr ein begabtes Kind, das kurz lebt oder ein dummes das lange lebt?‘

Mrikandu und Marudvati schauten sich verzweifelt an, erkennend, dass dies eine Prüfung war. Marudvati entschied: ‚Herr, ich wünsche ein begabtes Kind, mit einem kurzen Leben.‘

Sie schaute zu ihrem Mann und bestätigte das Gesagte nochmals. ‚Wir werden eine Zeit mit ihm glücklich sein und es dann in guter Erinnerung behalten.‘

Mrikandu erkannte die Wahrheit in ihren Worten und stimmte zu. Shiva segnete sie und verließ sie, ohne ein weiteres Wort. Marudvati gebar einen Sohn, sie nannten ihn Markandeya. Er lernte die Veden schnell, liebte seine Eltern und verehrte von Kindesbeinen an Shiva, verlor sich in seinem Lobpreis.

Dennoch spürte Markandeya, dass seine Eltern etwas bedrückte. Am Tag vor seinem sechzehnten Geburtstag fragte Markandeya seinen Vater, warum er stets traurig wirke und ob er etwas getan habe, das ihn unglücklich mache.

Als sie diese Frage hörte, brach Marudvati in Tränen aus: ‚Nein, nein, wie kannst du so etwas denken, wir sind so glücklich mit dir!‘

Mrikandu war ebenfalls erschrocken über die Gedanken seines Sohnes: ‚Wir lieben dich, mein Sohn. Du bist unser Stolz, ein Kind, das seine Eltern nur glücklich gemacht hat.‘

Markandeya schwieg. Mrikandu und Marudvati schauten sich an, jeder wollte Markandeya nun das Unabänderliche eröffnen. Marudvati brach die Stille: ‚Wir haben dich als Geschenk von Shiva bekommen…‘ Gemeinsam im Wechsel erzählten sie die ganze Geschichte.

Markandeya hörte zu bis seine Eltern fertig waren. Sie taten ihm leid. Sie hatten ihn trotz dieser Belastung mit Liebe großgezogen, wissend, dass er sie verlassen würde. Sie waren die großartigsten Menschen, die er sich vorstellen konnte.

Markandeya machte sich um sich selbst keine Gedanken. Seine Eltern hatten ihr Schicksal gewendet und ihn zum Sohn bekommen. Das Schicksal zu wenden war immer möglich. Liebevoll schaute er seine Eltern an: ‚Verzweifelt nicht. Ich werde zu Shiva beten, ich bin sicher, er wird mir nichts zustoßen lassen.‘

Die Eltern fühlten Hoffnung aufkommen, als sie diese Worte hörten. Mrikandu segnete Markandeya: ‚Tu was du für richtig hältst, mein Sohn. Gehe deinen Weg.‘ Marudvati segnete ihren Sohn ebenfalls und Markandeya verließ sein Heim.

Er kam an einen See und Friede kam über ihn. Am Ufer formte er liebevoll ein Linga aus Lehm. Wenn sein Ende gekommen war, so wollte er hier sein Leben beenden. Er setzte sich in Meditation vor das Linga, Shiva preisend.

Yama wusste, dass Markandeyas Zeit auf Erden zu Ende war. Er schickte zwei Boten, um Markandeyas Seele abzuholen. Allerdings war Markandeya zu dem Zeitpunkt in solch tiefer Meditation, dass ein feuriger Glanz von ihm ausging. Yamas Boten konnten sich ihm nicht nähern. Unvollendeter Dinge mussten sie zurückkehren und Yama Bericht erstatten.

Yama verstand sie und wollte sich selbst darum kümmern. Er nahm seine Schlinge, setzte sich auf seinen Büffel und machte sich auf zu Markandeya. Yama erkannte, dass Markandeya geläutert war und ein tugendhaftes Leben geführt hatte. Das war sein Schutz. Das war es, was seine Boten vertrieben hatte. Doch Yama konnte, ob gut oder böse, niemand entkommen. Er machte sich sichtbar und sprach: ‚Markandeya, deine Zeit ist um.‘

Markandeya öffnete seine Augen und sah Yama: ‚Ich werde nicht mit dir gehen, Shiva beschützt mich.‘

Yama wiederholte: ‚Deine Zeit auf Erden ist um. Ich bin gekommen, um dich zu holen.‘

Markandeya lächelte, schüttelte seinen Kopf und umarmte das Shiva Linga. Yama warf seine Schlinge um Markandeya. Dummerweise fiel die Schlinge um Markandeya und das Linga. Markandeya schloss die Augen: ‚Rette mich, mein Herr.‘

Markandeya spürte, dass sich das Linga bewegte. Er öffnete seine Augen und sah den Dreiäugigen vor sich. Sein Wunsch war erfüllt, er fühlte einen Schutzschild um sich und schaute auf Yama.

Shiva erhob seinen Dreizack gegen Yama, der die Schlinge vor Schreck fallen ließ. Im Begriff, sein drittes Auge zu öffnen, rief er: ‚Du hast ihn gestört!‘

Yama rechtfertigte sich: ‚Seine Zeit auf Erden ist um. Ich bin gekommen …‘

‚Er wird für immer leben. Wie kannst du es wagen?‘ Shiva stieß Yama den Dreizack in die Brust. Er fiel tot um. Der Herr des Todes war tot.

Sofort erschienen Indra und die anderen Götter vor Shiva, der immer noch ärgerlich auf Yama blickte.

Indra schaute überrascht in das friedliche Antlitz Markandeyas. Der Junge hat etwas getan, das vorher noch niemand getan hatte.

Indra verneigte sich vor Shiva: ‚Wir brauchen Yama. Die Wesen müssen geboren werden und sterben. So will es die kosmische Ordnung. Bitte gib Yama sein Leben zurück.‘

Shiva ließ sich beruhigen: ‚Ja, ja, Yama soll sein Leben zurückerhalten. Doch Markandeya muss ausgenommen werden, er wird ewig leben (Chiranjivi). Er ist der, der den Tod überwunden hat.‘

Die Götter sahen das als einen gerechten Kompromiss und stimmten zu.

Yama öffnete seine Augen und die Wunde an seiner Brust heilte. Er schaute auf Markandeya, lächelte und entschwand. Die Götter gingen zurück in den Himmel.

Markandeya fiel Shiva zu Füßen: ‚Ich wünsche nichts mehr, ich habe dich geschaut.‘

‚Gehe zu deinen Eltern zurück, Markandeya. Kümmere dich um sie, so lange sie leben. Danach ziehe durch die Welt und tu was dir beliebt. Du hast meinen Segen. Du wirst für ewig sechzehn Jahre alt bleiben.‘

Markandeya ging zurück zu seinen Eltern, die ihn überglücklich in die Arme schlossen und sich erzählen ließen, was geschehen war.

 

Aus dem Englischen mit freundlicher Genehmigung von S. A. Krishnan.